Die Restwassermenge ist keine abstrakte mathematische Größe, welche nach Belieben geteilt oder verringert werden kann. Sie stellt vielmehr jenes lebensnotwendige Minimum (vergl. portata minima vitale) dar, welches eine Vielzahl von biologischen Prozessen - wenn auch in stark eingeschränkter Form - in und um ein Gewässer erst ermöglichen. Eine zusätzliche Reduktion dieser Wassermenge hätte ernst- und dauerhafte Schäden zur Folge. Ausgesprochen viele Tier- und Pflanzenarten sind durch zumindest einige Lebens- bzw. Entwicklungsstadien an Gewässer- oder Feuchtlebensräume gebunden. Außerdem finden sich gerade in solchen Lebensräumen besonders viele bedrohte Arten. Auch deshalb ist die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Restwassermenge zu jeder Zeit auch in einem fischfreien Gewässer alles andere als sinnlos.
Die Abflüsse der fischfreien Zubringer tragen gerade im Oberlauf der Hauptgewässer entscheidend zu deren Wasserführung bei. Sollte in diesen Nebengewässern die Restwassermenge de facto auf Null gesetzt werden, wird dadurch auch das Hauptgewässer massiv geschädigt. Zudem können an sich fischfreie Gewässer durchaus periodisch als Laich-, Rückzugs- (z.B. bei Hochwasserereignissen) oder Brutgewässer dienen. Eine Differenzierung zwischen Fisch- und fischfreien Gewässern mit unterschiedlicher Restwasserdotation ist aus diesen Gründen nicht praktikabel.
Zudem regelt die europäische Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) ganz klar und für alle Mitgliedsstaaten und somit auch für Südtirol verbindlich den Schutz der Gewässer. Die zentralen Forderungen sind (i) ein Verschlechterungsverbot für den aktuellen Zustand der Gewässer und (ii) das Erreichen des guten ökologischen Zustandes aller Gewässer bis 2015. Eine zusätzliche Reduktion der Restwassermengen wirkt sich dabei negativ auf beide Ziele der WRRL aus.
Vor diesem Hintergrund muss allen Beteiligten klar sein, dass weder langfristig Restwassermengen noch weiter reduziert werden können, noch kurzfristig (Frostnächte) ein sprunghaft gestiegener Wasserbedarf aus der Restwassermenge abgeleitet werden kann und darf. Aus ökologischer Sicht wirkt sich auch ein kurzzeitiges Trockenfallen katastrophal auf das Gewässer und seine Bewohner aus. Aus landwirtschaftlicher Sicht können Frostnächte zu kompletten Ernteausfällen führen. Der Gewinnrückgang für die E-Werksbetreiber durch eine Reduktion der Ihnen zur Verfügung stehenden Wassermenge ist dagegen vergleichsweise gering. Periodische Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten mit einer gänzlichen Abschaltung der Turbine verursachen in etwa denselben Gewinnrückgang wie eine Reduktion des Triebwassers aufgrund des Bedarfs für die Frostberegnung.
Wir fordern deshalb, dass die Restwassermengen von der Diskussion um die Wassernutzung unangetastet bleiben. Es muss klare und verbindliche Vorgaben zur Einhaltung und Überwachung der Restwassermengen geben. Alle Konzessionen für Wasserableitungen für den Betrieb von E-Werken müssen unentgeltlich eine erhöhte Wasserabgabe im dringenden Bedarfsfall (z.B. Frostnächte) vorsehen.