Von einer energetischen Notwendigkeit kann sicherlich nicht gesprochen werden, da Südtirol über eine mittlere Energieproduktion aus Wasserkraft von 5794,38 GWh pro Jahr (Daten des Amtes für Stromversorgung, Stand 31.05.2009) verfügt, das geplante Kraftwerk eine Jahresproduktion von ca. 6 GWh aufweist, was ca. einem Promille der in Südtirol aus Wasserkraft erzeugten Energie entspricht. Diese von der Planungsseite vorgespiegelte Rentabilität ergibt sich aber zum einen aufgrund von unrealistisch hoch angesetzten Abflusswerten, wie gleich mehrere, im Beisein von vereidigten Personen durchgeführte Wassermessungen zu verschiedenen Zeitpunkten zweifelsfrei belegen.
Dass vom Niederschlag auf das betroffene Einzugsgebiet nicht linear auf den Abfluss geschlossen werden kann, wie in diesem Falle unterstellt, zeigen eine ganze Reihe ähnlich gelagerter Fälle im ganzen Land. Zudem werden in die Rentabilitätsrechnung neben den direkten Erlösen aus dem Stromverkauf auch jene Erlöse einbezogen, welche durch den Handel mit sog. Grünzertifikaten erzielt werden. Diese Subventionen liegen derzeit pro Energieeinheit noch höher als der Strompreis selbst, sodass sich die Rentabilität des Wasserkraftwerkes in erster Linie durch die Grünzertifikate und nicht durch den Verkauf von Strom ergibt. Wie sich der derzeit von nationaler Seite garantierte Preis für diese Grünzertifikate allerdings in den nächsten Jahren entwickeln wird, ist angesichts der großen Einsparungsbestrebungen nicht vorherzusehen. Aus diesen Gründen sind alle Wirtschaftlichkeitsberechnungen für das geplante Wasserkraftwerk am Schalderer Bach mit äußerster Vorsicht zu betrachten.
Zudem zeigen leider immer wieder sehr viele Negativbeispiele, dass bei bereits errichteten Wasserkraftwerken dieser Größenordnung die prognostizierten Produktionszahlen für die planmäßige Amortisation nicht allein durch den korrekten Betrieb der Anlage gewährleistet werden können, da die angenommenen Abflusswerte im Gewässer in der Realität nicht erreicht werden. Daher wird in vielen (bestens dokumentierten) Fällen das gesetzlich festgelegte Restwasser (deflusso minimo vitale) teilweise oder gänzlich für die Produktion abgeleitet. Dies zum Schaden für die ökologisch sehr wertvolle Gewässerfauna und -flora, welche bereits auch nur bei kurzzeitigem Trockenfallen schwere, irreversible Beeinträchtigungen davonträgt, aber auch zum Schaden der Menschen, welche den Schalderer Bach als überaus naturnahes und geschätztes Naherholungsgebiet nutzen.
Aus all diesen Gründen ersuchen wir Sie als politische Vertreter Ihrer Gemeinde alle erforderlichen Entscheidungen zu treffen, um die eingereichten Projekte zur hydroelektrischen Nutzung des Schalderer Baches zurückzuziehen, den Schalderer Bach weitestgehend vor weiteren negativen Eingriffen zu schützen und ihn als ökologisches Paradebeispiel eines intakten Fließgewässer-Lebensraumes zu erhalten.
Offener Brief - Schalderer Bach
Stellungnahme zur hydroelektrischen Nutzung des Schalderer Baches
Sehr geehrte Damen und Herren,
für die hydroelektrische Nutzung des Schalderer Baches liegen zwei konkurrierende Ansuchen bei den zuständigen Stellen der Landesverwaltung auf, wobei die Antragsteller zum einen die Gemeinde Vahrn, zum anderen die Stadtwerke Brixen sind. Mit diesem offenen Brief weisen wir Sie darauf hin, dass es sich bei besagtem Fließgewässer um einen besonders schützenswerten ökologischen Lebensraum handelt, welcher in der Vergangenheit gerade aus diesem Grund als Naturdenkmal ausgewiesen wurde.
Bei der jetzt angestrebten hydroelektrischen Nutzung scheinen die ökologischen Kriterien jedoch zugunsten des finanziell lukrativ geplanten Betriebes eines Wasserkraftwerkes weichen zu müssen.