Mit Rundschreiben vom 23.03.2011, Prot. Nr.62.01/166713, teilen der Landeshauptmann und die Landesräte für Landschaftsschutz und Landwirtschaft mit, wie die Landesregierung das Naturschutzgesetz, das erst Ende Juli vorigen Jahres in Kraft getreten ist und vom Landtag mit Stimmeneinhelligkeit verabschiedet wurde, zu interpretieren gedenkt. Dabei bezieht man sich auf einen Beschluss der Landesregierung vom 28.02.2011, der als Beschlussdokument jedoch nicht existiert und deshalb auch nicht eingesehen werden kann. Konkret geht es im Rundschreiben um den Artikel 21 des Naturschutzgesetzes. Hier heißt es im Absatz 4: "In den Natura-2000-Gebieten ist, vorbehaltlich strengerer Schutzbestimmungen, insbesondere Folgendes verboten: ...g) die Ausbringung von Mineraldünger und Flüssigdünger, Gülle und Jauche aus der Viehwirtschaft, mit Ausnahme des im Natura-2000-Gebiet anfallenden Flüssigdüngers und mit Ausnahme der Acker-, Obst-und Weinbaukulturen." Soweit, so gut! Mann/Frau würde meinen, dass diese Bestimmung nichts an Klarheit missen lässt, aber das sieht die Landesregierung wohl anders. Wie man mittlerweile in Erfahrung bringen konnte, "stank" diese Bestimmung der Unterlandler Landtagsabgeordneten Rosa Thaler Zelger, die bei den zuständigen Landesräten intervenierte, nachdem sie zuvor im Plenum des Landtages selbst für diesen Artikel gestimmt hatte und damit für das Verbot der Ausbringung jener Gülle und Jauche im Natura-2000-Gebiet, welche nicht in einem im Natura-2000-Gebiet liegenden Stall anfallen (sog. Einfuhr von außen).
Das nun vorliegende Rundschreiben sieht eine teilweise Aufhebung dieser durch das Naturschutzgesetz eingeführten Einschränkung für Natura-2000-Gebiete vor und ermöglicht die Ausbringung von Gülle und Jauche in diesen besonderen Schutzgebieten, die aufgrund der dort vorhandenen Lebensräume und nicht zuletzt der besonderen Vegetation zum europäischen Schutzgebietsnetz Natura 2000 gehören. Mit dieser Auslegung wird der Landtag komplett umgangen, die gesetzgeberische Tätigkeit ad absurdum geführt.
Der Landesregierung steht es nicht zu, Gesetzesbestimmungen zu interpretieren (in diesem Falle umzudeuten). Bei der authentischen Interpretation handelt es sich nämlich um die Auslegung einer Textstelle durch den Verfasser oder den Gesetzgeber selbst und selbst in diesem Falle sind der Auslegung klare Grenzen gesetzt (siehe hierzu http://de.wikipedia.org/wiki/Auslegung_(Recht) ). Die Landesregierung hat hingegen einzig und allein den Auftrag, die Gesetze des Landtages durchzuführen, jedoch keinesfalls diese umzudeuten.
Namens der Umweltschutzorganisationen fordert der Dachverband für Natur- und Umweltschutz die Landesregierung auf, dieses Rundschreiben zurück zu nehmen. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass selbst die bereits in der Durchführungsverordnung zum Gewässerschutzgesetz des Landes (D.L.H. Nr. 6/2008) enthaltenen Bestimmungen zur Ausbringung von Gülle und Jauche im Bereich der Landwirtschaft vielfach toter Buchstabe geblieben sind, wie sich an vielen Beispielen im Land nachweisen lässt. Die zuständigen Behörden (Amt für Gewässerschutz, Forstbehörde und Gemeinden) werden daher mit Nachdruck aufgefordert, für die Einhaltung der Bestimmungen im Bereich des Natur- und Gewässerschutzes zu sorgen.
Die Diskussion zur Gülleproblematik muss landesweit endlich öffentlich und sachlich angegangen und nicht durch immer neue Husarenstreiche der verantwortlichen Politiker zugedeckt und vertuscht werden. Die heutige Praxis der Gülleausbringung ist ein massives Naturschutzproblem, in Zukunft werden dadurch aber auch Grund- und in weiterer Folge Trinkwasserprobleme verursacht.