Mittwoch, 25. Mai 2016 07:39

Flughafen-Konzept: Flugplan liest sich wie ein Wunschzettel

Flugplatz BZ/Flugplan - Eher wie ein Wunschzettel an die Flughafen-Fee als eine realistische Prognose liest sich der Flugplan, der die Basis des Flughafen-Konzepts der Landesregierung bildet. Selbst im Base-Case-Szenario und bei sehr wohlwollender Überprüfung kommt man auf rund ein Viertel weniger Passagiere als die Konzept-Autoren. Damit landet man bereits unter der von der Landesregierung geforderten Mindestpassagierzahl.

Um zu beweisen, dass der Flughafen Bozen zukunftsfähig ist, hat die Landesregierung einen Flugplan für die kommenden Jahre ausarbeiten lassen, der ein wesentlicher Bestandteil ihres Flughafen-Konzepts ist. Allerdings basiert dieser Flugplan zuallererst auf rein hypothetischen Daten, wie die Konzept-Autoren von „Airport Consulting Vienna“ selbst festhalten. Zudem sind die Prognosen sehr optimistisch, und zwar auch im so genannten Base-Case-Szenario, jenem Szenario also, das von einer durchschnittlichen Entwicklung ausgeht.


Linienflüge
Die vorgesehenen Linienflüge werden von den Flughafen-Befürwortern gern als Zubringer zu internationalen Drehkreuzen verkauft. Damit sie als solche funktionieren könnten, müssten die Hubs allerdings mehrmals täglich angeflogen werden, damit akzeptable Anschlusszeiten gewährleistet werden können. Täglich soll laut Flugplan allerdings nur Rom angeflogen werden, eine Anbindung an Frankfurt, einen der wichtigsten Knotenpunkte überhaupt, fehlt dagegen gänzlich (wahrscheinlich wegen fehlender Slots).
Statt Frankfurt finden sich als deutsche Destinationen etwa Hamburg und Düsseldorf im Flugplan, beides keine Hubs, sondern wohl eher für deutsche Touristen gedacht. Beide Ziele sollen zweimal wöchentlich mit 76-Sitzern angeflogen werden. Das Flughafen-Konzept geht dabei von einer Auslastung von 75 Prozent aus, und zwar 52 Wochen im Jahr, also auch im November oder März beispielsweise – nicht gerade touristische Hochsaison.
Selbst wenn man an der sehr optimistisch geschätzten Auslastung nicht kratzt und nur die unrealistischen jährlichen Flug-Wochen anpasst, reduzieren sich die Passagierzahlen beträchtlich. Geht man etwa davon aus, dass die Hamburger und Düsseldorfer Linie nur das halbe Jahr hindurch Nachfrage findet, fehlen rund 12.000 Passagiere jährlich in der Bozner Flughafen-Rechnung.


Incoming Charter
Im Mittelpunkt der derzeitigen Kampagne für den Flughafen steht indes der Incoming-Charter-Bereich, jene Flüge also, die Touristen nach Südtirol bringen sollen. Dabei rechnen selbst die Konzept-Autoren in diesem Bereich mit gerade einmal 34.000 Passagieren jährlich. Das sind knapp über 15 Prozent des gesamten Passagieraufkommens in Bozen. Dem gegenüber steht die Linie Bozen-Rom, die nicht weniger als 43 Prozent der Passagiere liefern soll. Schon allein dieser Vergleich zeigt, welche Ausrichtung der Bozner Flughafen künftig haben soll: dieselbe Rom-Lastigkeit wie bisher.
Zurück zum Incoming-Charter-Bereich: Hier sollen zweimal wöchentlich London, Moskau, Kopenhagen und Stockholm angeflogen werden, London mit 90-Sitzern das ganze Jahr hindurch, Moskau gar mit 132-Sitzern 20 Wochen im Jahr, die anderen beiden Ziele mit 68-sitzigen Maschinen ebenfalls 20 Wochen, also fünf Monate im Jahr. Die angenommene Auslastung ist auch hier beeindruckend: 90 (Moskau), 85 (London) bzw. 80 Prozent (Kopenhagen, Stockholm).
Auch hier sollte man demnach zumindest die Flug-Wochen realistischer schätzen. Touristen aus London werden kaum das ganze Jahr hindurch nach Südtirol wollen, realistischer scheinen sechs Monate. Aus Kopenhagen, Moskau und Stockholm scheinen zwölf Wochen im Jahr angemessen. Allerdings bleiben dann nicht einmal mehr 19.000 statt der von den Konzept-Autoren errechneten 34.000 Passagiere übrig – ein Minus von rund 44 Prozent.


Outgoing Charter
Die wohl beeindruckendsten Zahlen liefern laut Flugplan die Outgoing-Charterflüge, die Südtiroler einmal wöchentlich in die Sommer-Urlaubsorte am Meer bringen sollen: Ibiza (mit Maschinen mit 144 Sitzen), Mallorca (144), Kreta (132), Cagliari, Olbia, Catania, Lamezia Terme und Dubrovnik (jeweils 76). Mit Ausnahme von Dubrovnik (16) sollen diese Ziele 26 Wochen im Jahr angeflogen werden. Die klassischen Sommer-Destinationen sollten laut Flugplan also über sechs Monate (!) hindurch Auslastungen von 80 bzw. 85 Prozent liefern.
Im vergangenen Sommer und auch im kommenden wurden bzw. werden diese Ziele gerade einmal acht Wochen lang angeflogen – kein Wunder, werden die Urlaubsorte am Meer doch nur im Sommer gebucht. Selbst bei einer Annahme von zwölf Wochen (immerhin ein Monat mehr als in der bisherigen Praxis) bleiben von den errechneten über 33.000 Outgoing-Charter-Passagieren nur noch 15.800 übrig.

Fazit
Alles in allem kommt das Flughafen-Konzept im Jahr 2022 auf 223.380 Passagiere. Passt man auch nur die Flug-Wochen an realistische Annahmen an, bleiben davon gerade einmal 179.000. Allerdings kann ähnlich wie die Dauer der angenommenen Flüge auch die überaus optimistisch eingeschätzte Auslastung hinterfragt werden. Die höchsten Auslastungsgrade erreichen dabei mit mehr als 90 Prozent die Billigfluglinien, die Bozen aber nie anfliegen werden. Für Charterverbindungen sind Auslastungen von 70 bis 80 Prozent realistisch, im Linienbetrieb solche zwischen 60 und 70 Prozent.
Diese Anpassung an realistische Annahmen hat zwei Folgen. Erstens halten Fluglinien den Flugbetrieb bei Auslastungen unter 70 Prozent nur aufrecht, wenn sie entsprechend subventioniert werden – eine Ausgabe, die im Flughafen-Konzept nirgends aufscheint.
Zweitens reduzieren sich die Passagier-Prognosen nach einer Anpassung der Auslastungen noch einmal beträchtlich, und zwar auf etwas mehr als 168.000 Passagiere jährlich. Damit hätte der Flughafen Bozen ein Problem, hat die Landesregierung doch selbst die Schwelle von 170.000 Passagieren jährlich vorgegeben, unter der eine öffentliche Finanzierung des Flughafens aufgegeben würde.


Noch ein Faktum zum Schluss: Bei einer Anpassung der Passagier-Prognosen wie eben beschrieben würde die Abhängigkeit des Bozner Flughafens von der Rom-Verbindung noch stärker. Sie müsste dann über 53 Prozent aller Passagiere liefern. Auf einer Linie, die durch die Konkurrenz der Hochgeschwindigkeitsbahn ohnehin arg unter Druck stehen wird.

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