Landesrat Alfreider antwortet in einer Landtagsanfrage zum Umwegverkehr, dass die kolportierten Zahlen in Bezug auf den Umwegverkehr „aus den Ergebnissen diverser Studien, Datensammlungen sowie Projekten ab[stammen], die in den letzten Jahren zum Thema Umwegverkehr veröffentlicht wurden.“ Allerdings seien diese Zahlen als Hochrechnungen mit einem gewissen Streufaktor behaftet, und der Begriff „Umwegverkehr“ nicht immer eindeutig definiert.
In einem Interview zum Thema auf salto.bz bezeichnet LR Alfreider diese Daten dann allerdings als „unsicher“, da „nur auf Hochrechnungen oder Studien“ basierend. Daher sollen nun laut Mobilitätslandesrat in einem europäischem Kontext erstmal Daten gesammelt werden, damit man den Verkehr dosieren könne.
Die dauerhaften Überschreitungen des gesetzlich vorgesehenen Gesundheitsgrenzwertes für Stickoxide von 40µg/m³ Luft im Jahresmittel sind allerdings real. Dieser wird seit seiner Einführung auf europäischer Ebene im Jahr 2010 jährlich entlang der gesamten Brennerachse signifikant überschritten. Seit diese Messungen in den urbanen Räumen durchgeführt werden. übrigens auch dort. Exakte Messungen der landeseigenen Labors der Umweltagentur liegen all diesen detaillierten Daten zugrunde. Diese Emissionen sinken sicherlich nicht, indem man allein den Begriff „Umwegverkehr“ genauer differenzieren oder die Streufaktoren der bereits gemachten Studien und Hochrechnungen mit weiteren Erhebungen reduzieren will. Die Emissionen sinken, wenn konkrete Maßnahmen ergriffen werden. Zwei ganz konkrete und griffige Maßnahmen sind einerseits die Anpassung der Mautgebühren in den Alpen an das Schweizer Niveau und andererseits die Harmonisierung der Treibstoffbesteuerung. Für beide Maßnahmen braucht es keine neuen Studien und Erhebungen, sondern nur politischen Willen.
Diesen vermisst der Dachverband für Natur- und Umweltschutz im Mobilitätsbereich leider nicht nur in Sachen Umwegverkehr, sondern auch generell in Sachen Verkehrsaufkommen und Emissionen. Der Zusammenhang von Geschwindigkeit und Kraftstoff-Verbrauch ist nicht nur wissenschaftlich eindeutig, sondern auch praktisch erprobt, beispielsweise mit dem „Luft-100er“ auf der Inntal-Autobahn in Nordtirol. Dennoch müssen wir offenbar auf der A22 vorab versuchsweise das mehrjährige BrennerLEC-Projekt durchführen, bevor auch auf der Südseite der Brennerautobahn emissionsmindernde Maßnahmen umgesetzt werden können.
Dasselbe Muster zeigt sich auf den Dolomitenpässen. Jahrelang wurden Daten zum Verkehrsaufkommen und der Lärmbelastung erhoben und von der EURAC aufbereitet und ausgewertet. Plötzlich scheinen diese Daten nicht mehr ausreichend zu sein, da nun auch Start- und Ziel-Ort der Nutzer erhoben werden müssen, um dann evtl. Maßnahmen vorzusehen. Die vom Dachverband für Natur- und Umweltschutz seit Jahren propagierten Zeitfenster zur zeitweiligen Verkehrsberuhigung brauchen diese zusätzlichen Daten allerdings nicht, um sofort und konkret wirksam zu werden. Dies sieht erfreulicherweise mittlerweile auch Landeshauptmann Kompatscher so.
Es drängt sich bei all diesen Themen der Eindruck auf, dass die politische Arbeit nicht Priorität auf die Lösung von jahrelang verschleppten Verkehrsproblemen abzielt, sondern dass immer wieder Gründe und Vorwände gesucht werden, um aktuell nichts tun zu müssen.
Vielleicht war der flammende Appell des UN-Generalsekretärs Antonio Guterres anlässlich der Eröffnung der COP 25 in Madrid Anfang dieser Woche auch an unsere Südtiroler Politiker gerichtet: „Wollen wir wirklich als die Generation in Erinnerung bleiben, die den Kopf in den Sand steckte, die herumtrödelte, während die Erde in Flammen stand?“