Kein Plan vorhanden
Auch wenn aus heutiger Sicht noch gar nicht klar ist, welche Treibhausgas-Senken tatsächlich in die Netto-Emissionsrechnung einfließen werden, zeigt sich der Dachverband für Natur- und Umweltschutz dennoch erfreut von den Ankündigungen des Landeshauptmannes. Fakt ist leider, dass wir bereits jetzt in Verzug sind. Das zeigt sich nicht nur an der Verspätung bei der Überarbeitung des aktuellen Klimaplanes. In einer Meldung der LPA vom 14.12.2019 unter dem Titel "Klausur der Landesregierung: Südtirol zum Klima-Vorreiter machen" wurde festgehalten: "Bis Mitte 2020 will die Landesregierung den Klimaplan 2011 überarbeiten." Bis dato liegt aber noch kein öffentlich zugänglicher Entwurf vor.
Effektive Klimadaten
Auch inhaltlich kann Südtirol leider nicht als Klima-Land glänzen. In der Beantwortung der Landtagsanfrage 1051/20 findet sich auf die letzte Frage: „Wie viele Tonnen an Treibhausgasemissionen pro Einwohner/Jahr werden heute in Südtirol im Vergleich zu 2011 vermieden" die durchaus ernüchternde Antwort: „Werden die Gesamteinsparungen auf die Gesamtbevölkerung aufgeteilt, so entfallen [im] Jahr 2020 pro Einwohner und Jahr etwas mehr als 0,5 Tonnen an Einsparungen.“ Damit ist klar, dass weder die im aktuellen Plan angepeilten Ziele für das Jahr 2020 erreicht werden können, geschweige denn im kommenden Jahrzehnt Klimaneutralität auch nur annähernd erreicht wird. Erschwerend kommt hinzu, dass im bisherigen Klimaplan die sogenannte graue Energie (also der Konsum) ausgeklammert wurde. Wird diese korrekterweise miteinbezogen, relativiert sich die vermeintliche Vorreiter-Rolle Südtirols als Klimaland noch weiter, wie der Klimareport der EURAC aus dem Jahr 2018 zeigt.
Der neue Klimaplan des Landes sollte seriöserweise transparent alle relevanten Daten enthalten und nach internationalen Standards und Richtlinien erstellt werden. Mit kreativen Rechentricks ist niemandem geholfen.
Partizipation unerlässlich
Angesichts der immensen gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Klimakrise und den bescheidenen Resultaten der letzten zehn Jahre Klimaplan erscheint uns eine Neuauflage eines Fachplanes nach dem bisherigen Muster und dem Ablauf der Genehmigung fehl am Platz. Ein von der öffentlichen Verwaltung weitgehend definitiv ausgearbeiteter Plan mit mehreren hundert Seiten Umfang, der für gerade einmal 30 Tage der interessierten Öffentlichkeit zur Stellungnahme vorgelegt und in weiterer Folge genehmigt wird, ist ein Paradebeispiel eines gescheiterten Top-Down-Ansatzes. Auf diese Art und Weise werden große Teile der Gesellschaft erst gar nicht erreicht, nicht für das Thema sensibilisiert und nicht aktiv mit einbezogen. Dass der bisherige Klimaplan und eine Reihe seiner Maßnahmen bis dato bescheidene Wirkung entfalten konnten, darf daher nicht überraschen.
Aus diesen Gründen ersuchen wir Sie als politische Vertretung der Südtiroler Gesellschaft zur Bewältigung der Klimakrise die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, um von einem starren und bis dato wenig erfolgreichen Plan-Ansatz zu einem kontinuierlichen und öffentlich partizipierten Prozess zu kommen, mit einer messbaren Erfolgskontrolle und der Möglichkeit der Anpassung der Maßnahmen zur Sicherstellung der Zielerreichung.
Weitere zehn Jahre mit dieser überschaubaren Reduzierung der Treibhausgasemissionen können wir uns nicht mehr leisten. Dabei bietet Südtirol tatsächlich viele Voraussetzungen für eine Vorreiter-Rolle im Klimaschutz. Schaffen wir es nicht, so brauchen wir uns dies erst recht nicht von anderen zu erwarten.
Auch Landeshauptmann Kompatscher schließt den oben bereits zitierten Absatz zur Klimakrise mit: „Und dafür sollten wir uns gemeinsam einbringen.“ Dann schaffen Sie bitte auch die notwendigen Voraussetzungen dazu, damit sich die Südtiroler Gesellschaft aktiv, partizipativ und konstruktiv zur Bewältigung der Klimakrise einbringen kann!
In diesem Sinne verbleibe ich mit den besten Grüßen und der Hoffnung auf ein in vielerlei Hinsicht besseres 2021.
Klauspeter Dissinger – Vorsitzender