Die erschreckenden Bilder aus den Intensivstationen der Krankenhäuser in der Lombardei scheinen bereits vergessen. Diese Region war wie keine andere in Italien von Covid-19 betroffen, sowohl was die Anzahl der Infektionen, die Anzahl der schweren Verläufe als auch die Opferzahlen anbelangt. Mehrere Studien legten dabei einen kausalen Zusammenhang zwischen den chronisch hohen Luftbelastungen dieser Ballungsräume und dem hohen Covid-19-Zahlen nahe. Dort, wo die Menschen bereits durch schlechte Luft vorbelastet sind, erkranken sie auch leichter an Covid-19.
Umso unverständlicher, was die Südtiroler Landesregierung gestern beschlossen hat: die Verschiebung von Maßnahmen zur Einschränkung der Luftverschmutzung, verursacht durch den motorisierten Verkehr. Der Wirtschaft zuliebe sollen die bereits beschlossenen Maßnahmen verschoben bzw. überarbeitet werden. Dabei wären beispielsweise die europaweit verbindlichen Gesundheitsgrenzwerte für NO2 bereits im Jahr 2010 einzuhalten gewesen. Wir sind bereits zehn Jahre in Verzug, bekommen die Auswirkungen von chronisch schlechter Luft auf unsere Gesundheit in schonungsloser Weise vor Augen geführt. Und – unsere PolitikerInnen entscheiden sich dennoch für einen Aufschub.
Eine mutlose, rückwärts gewandte Politik ohne Visionen ist das letzte, was unsere Gesellschaft, inklusive der Wirtschaft, in dieser Phase der tiefgreifenden Umwälzungen durch die Corona- und Klimakrise braucht. Von den vielen Möglichkeiten, die Wirtschaft bestmöglich auf die Vielzahl an neuen Herausforderungen vorzubereiten, ist diese jüngste Entscheidung der Südtiroler Landesregierung gegen Gesundheits- und Klimaschutz die kurzsichtigste und einseitigste.