Dienstag, 05. Mai 2020 09:38

DVN - Krise als Chance für die Umwelt und das Klima

Umwelt- und Klimaschutz - Die Corona-Krise ist eine harter Schlag für Südtirols soziales Gefüge und für die Wirtschaft und wird diese zwei Sektoren auch noch längere Zeit belasten. Lediglich die Umwelt profitiert teilweise von der Krise, in dem sich die Luftqualität verbesserte und die Natur generell regenerieren konnte. Die Krise macht aber auch klar, dass die Herausforderungen der Zukunft nur im Einklang mit den ökologischen, ökonomischen und sozialen Herausforderungen lösbar sind.

Der Dachverband für Natur- und Umweltschutz möchte deshalb den politischen Entscheidungsträgern Lösungsvorschläge unterbreiten, um gemeinsam diese Herausforderungen zu bewältigen. Mit einer umsichtigen Planung der Phase 2 ist durchaus eine sog. „Win-Win-Situation“ möglich, von der mittelfristig alle Sektoren und damit die gesamte Gesellschaft profitieren würde.

Verkehr
Die Verkehrsbelastung muss unbedingt reduziert werden. Schlechte Luft belastet nämlich nicht nur die Gesundheit der Bevölkerung, sondern ist auch mitverantwortlich für die Ausbreitung von Viren, wie aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen der emissionsbelasteten Poebene zeigen.
Der Ausbau des öffentlichen Bus- und Bahnverkehrs muss noch stärker forciert werden, wobei auf der Brennerstrecke, im Pustertal und auf der Vinschgauer Linie bis Bozen in den Morgen- und Abendstunden der Viertelstundentakt eingeführt werden sollte. Die verbindliche Verlagerung des Transitverkehrs muss noch vor Fertigstellung des BBT von der Straße auf die Schiene erfolgen. Dabei ist die Verbesserung des Rollmaterials der Güterzüge unumgänglich, um die Lärmbelästigung zu reduzieren. Auch eine verbesserte Radmobilität, die von uns seit vielen Jahren gefordert wird und jetzt scheinbar auch von der Politik in Angriff genommen wird, ist ein wichtiger Impuls, um den Individualverkehr zu vermindern. Viele Beispiele im In- und Ausland zeigen, dass Fußgänger- und Fahrradwege in urbanen Räumen keine Utopie mehr sind. Das in der Krise millionenfach erprobte smart working von zu Hause aus kann die klassische Büroarbeit sehr gut ergänzen und hilft mit, das Mobilitätsaufkommen zu reduzieren. Ein Tag pro Woche im home working reduziert die notwendigen Fahrten eines Vollzeitbeschäftigen um 20 Prozent.

Tourismus
Im Tourismus sollte vermehrt die Nachhaltigkeit des gesamten Angebotes im Vordergrund stehen, indem man sich auf familiengeführte Betriebe und auf Kunden, die unsere intakte Natur wertschätzen, konzentriert. Die durch den Motorradlärm belasteten Passstraßen und die überfüllten „Hotspots“ wie z.B. der Pragser Wildsee müssen endlich der Vergangenheit angehören. Viel mehr sollte man für Touristen attraktive Zugverbindungen anbieten, mit Abholservice an den Bahnhöfen und Bereitstellung von elektrobetriebenen Fahrzeugen in den jeweiligen Beherbergungsbetrieben.
Auch zusätzliche skitechnische Aufstiegsanlagen sollten der Vergangenheit angehören. Stattdessen sollten Gebiete gefördert werden, welche einen alternativen Wintertourismus, wie Langlaufen, Rodeln, Schneeschuhwandern oder Winterwanderungen anbieten.

Landwirtschaft
Hier schlagen wir geeignete Maßnahmen vor, um den Umstieg von der konventionellen auf die Biolandwirtschaft zu gewährleisten. Mit der Umsetzung einer Bioregion profitiert nicht nur die Landwirtschaft durch die Schaffung von neuen Produkten, Nischen und Absatzmärkten, sondern auch andere Sektoren wie eben der Tourismus. Nur so kann dem bereits fortgeschrittenen Insektensterben Einhalt geboten und die Biodiversität wieder hergestellt werden. Fakt ist, dass die konventionelle Landwirtschaft auch maßgeblich an der Klimaerwärmung beteiligt ist.

Bauwirtschaft
Um die als Folge der Corona-Pandemie in Krise geratene Bauwirtschaft zu unterstützen und deren Arbeitsplätze zu erhalten, sollten energetische Sanierungen von Altbauten vorfinanziert werden. Contracting-Modelle sind dabei eine elegante Lösung und könnten durch die öffentliche Hand mit zusätzlichen attraktiven Optionen ausgebaut werden.

Flugplatz Bozen
Der Luftverkehr wird sich durch die Corona-Krise grundlegend verändern. Kleine Provinzflugplätze wie jener in Bozen werden noch stärker an Bedeutung verlieren und zunehmend überflüssig. Mit der einhergehenden Einschränkung der Zivilluftfahrt am Bozner Flugplatz könnte ein Teil des Areals der Natur zurückgegeben werden.

All die oben genannten Maßnahmen stärken Gesellschaft und Wirtschaft in der Corona-Krise. Es sind gleichzeitig aber auch Maßnahmen für den Klimaschutz, der eine weit größere Herausforderung für die Menschheit darstellt als die jetzige Corona-Krise.
Denn gegen die Klimaerwärmung gibt es im Gegensatz zum Virus auch zukünftig keinen Impfstoff.

Klauspeter Dissinger
Vorsitzender - Dachverband für Natur- und Umweltschutz

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