Die Folgen von Covid-19 haben auch das wirtschaftliche System in seinen Grundfesten erschüttert. Die EU hat daher ein Wiederaufbau-Programm für die folgenden Bereiche aufgelegt:
• Die grüne Transformation
• Die digitale Transformation
• Intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum
• Sozialer und territorialer Zusammenhalt
• Aufbau von Resilienz und Krisenvorsorge
• Politiken für die nächste Generation, einschließlich Bildung und Qualifikation
Die Verwendung der Mittel ist dabei an die Vorgaben und prioritären Themen der EU geknüpft.
2,4 Milliarden Euro für Südtirol
Auf Südtirol entfallen aus diesem Programm rund 2,4 Milliarden Euro, was gut einem Drittel des Landeshaushaltes entspricht. Erst durch entsprechende Landtags-Anfragen erfuhr die Öffentlichkeit, dass die Landesregierung bereits im Herbst letzten Jahres eine Projekt-Liste mit 47 Vorschlägen zusammengestellt und nach Rom übermittelt hatte. Bis heute sind zu diesen 47 Projekten nur die jeweiligen Projekt-Titel bekannt. Was mit all diesen Millionen aber genau umgesetzt werden soll, wer die Nutznießer dieser Finanzierungen sind und ob damit überhaupt die Vorgaben der europäischen Union im Sinne der Zukunftsfähigkeit erfüllt werden, ist vollkommen intransparent. Auch eine öffentliche Form der Beteiligung hat es in keiner Weise gegeben. Dennoch fällt auf, dass bestimmte Bereiche prominent vertreten sind: Landwirtschaft und Aufstiegsanlagen dürfen sich auf viele Millionen freuen.
Speicherbecken für Skigebiete als „Grüne Revolution und ökologischer Wandel“
Dass all die angeführten Projekte wirklich den Zielsetzungen von Klimaneutralität, Nachhaltigkeit, gerechter Entwicklung und Resilienz entsprechen, darf zumindest bezweifelt werden. Wie sich vor diesem Hintergrund etwa 20 Mio. Euro für die Gärten von Schloss Trautmansdorff rechtfertigen lassen, ist ebenso fragwürdig wie die Gelder für den Bau von Verbindungsanlagen zwischen bestehenden Skigebieten. Noch fragwürdiger erscheint aber das Projekt „… zur Schaffung einer wiederkehrenden, digitalen und nachhaltigen Lebensmittelkette in den Bergen.“ Dafür sollen stolze 67 Mio. Euro oder umgerechnet 125 Euro pro Südtiroler ausgegeben werden. Für die Umweltverbände kommt es einem Etikettenschwindel gleich, wenn Speicherbecken für die Beschneiung (21 Mio. €) oder die Reorganisation des Straßennetzes im Gewerbegebiet Bozen (31 Mio. €) in der Projektliste der Landesregierung als „Grüne Revolution und ökologischer Wandel“ angeführt werden.
Wunschzettel bestimmter Interessensgruppen?
Die vorliegende Liste ähnelt viel eher einem Wunschzettel bestimmter Interessensgruppen mit Projekten, für die bis dato die notwendige Finanzierung nicht vorhanden war. Dabei weisen diese Projekte vielfach keine besondere Zukunftsfähigkeit und Nachhaltigkeit auf. Ein neues Gebäude für die Agentur für Klimaschutz (35 Mio. €) allein spart noch keine Tonne CO2 ein, im Gegenteil. Viele der im vorliegenden Recovery Funds angeführten Bauprojekte werden uns nicht in Richtung Klimaneutralität führen.
Zukunftsfähige Vorschläge der Umweltverbände
Die drei Umweltverbände haben den Mitgliedern des Südtiroler Landtages und der Südtiroler Landesregierung in ihrer Stellungnahme neben der Kritik auch beispielhaft eine Liste an umsetzbaren Alternativ-Projekten übermittelt, die den Zielsetzungen und Vorgaben des Recovery Funds sehr viel eher entsprechen.
Der Recovery Fund bietet auch für Südtirol die einmalige Chance, durch die gemeinsam getragene Erarbeitung und Umsetzung von zukunftsfähigen Projekten eine Politik des Gemeinwesens zu etablieren und eine nachhaltige Entwicklung für zukünftige Generationen auf den Weg zu bringen. Es liegt aber an der Politik, die Gesellschaft entsprechend mit einzubeziehen.
Georg Simeoni - Präsident Alpenverein Südtirol
Klauspeter Dissinger - Vorsitzender Dachverband für Natur- und Umweltschutz
Claudia Plaikner - Vorsitzende Heimatpflegeverband Südtirol
Anlage:
Offener Brief an den Südtiroler Landtag und die Südtiroler Landesregierung zum Recovery Fund