Donnerstag, 03. August 2023 10:22

DVN - Nachruf: Florin Florineth: Vordenker, Visionär und Kämpfer

Eine Schnellstraße durch den Vinschgau, die Autobahn von Ulm nach Mailand quer durch Südtirol, eine Flut von Almwegen und die zögerliche Umsetzung der Naturparks: Anfang der 1980er-Jahre ist der Naturschutzgedanke in Südtirol ein zartes Pflänzchen und es ist wohl kein Zufall, dass es gerade ein Biologe ist, der es hegt, pflegt, großzieht und gegen so manch einen Sturm wappnet.
Wir haben Florin Florineth daher viel zu verdanken und mit „wir“ meine ich durchaus nicht nur den Dachverband für Natur- und Umweltschutz, zu dessen Gründungsmitgliedern Florineth 1982 gezählt hat. Mit „wir“ meine ich alle Südtirolerinnen und Südtiroler, denn ohne Florineth, ohne seine Kompetenz, seine Hartnäckigkeit, sein Engagement und sein Netzwerken wäre wohl einiges unserer einzigartigen Landschaft ein für allemal unter die Räder gekommen – so manches durchaus auch buchstäblich.

Florin Florineth ist 1946 zur Welt gekommen, er war ein Bauernbub, dessen Potential früh erkannt wurde. Er durfte daher zum Studium nach Innsbruck und Wien und kam als Doktor der Biologie zurück in seine Heimat, wo er maßgeblich dazu beigetragen hat, einen ganz neuen Blick auf Natur, Landschaft und Umwelt zu eröffnen: jenen nämlich, dass die Natur ein Gut ist, das es nicht auszubeuten, sondern zu schützen gilt – und, wo man mit diesem Gedanken zu spät kommt, auch wiederherzustellen.

So ist es der Chefingenieur der Wildbach- und Lawinenverbauung, Ernst Watschinger, der den jungen Biologen bald schon im Visier hat und ihn damit beauftragt, eine Begrünungsgruppe aufzubauen. Florineth macht indes viel mehr: Er schafft Pflanzgärten in Prad und Prettau, ein Versuchslabor in Laas, Begrünungsgruppen im ganzen Land, Freilandversuche und Netzwerke. Und er wird zugleich eines der ersten Aushängeschilder der Ingenieurbiologie. Als solches kommt 1994 der Ruf an die Universität für Bodenkultur in Wien, wo er der erste Professor des neu gegründeten Institutes für Ingenieurbiologie wird.

In Sachen Umwelt- und Naturschutz ist es also ein Schwergewicht, mit dem es Politik und Wirtschaft in Südtirol zu tun haben – noch dazu in einem Bereich, der den allermeisten vor fast 50 Jahren noch weitgehend fremd ist. „Für die Politik waren wir“, hat Professor Florineth anlässlich der 40-Jahr-Feier des Dachverbandes im Vorjahr erzählt, „zuerst einfach nur halbe Idioten, danach Träumer, danach unbequeme Kritiker. Und schließlich wurden wir eine Gruppe von Leuten, die man zum Mitgestalten aufgerufen hat.“

Professor Florineth gehört also zu denen, die den Naturschutzgedanken in Südtirol hoffähig gemacht haben. Für dieses Anliegen hat er mit harten Bandagen kämpfen müssen. Florineth ist also nie den einfachen Weg gegangen, aber immer den richtigen. Und den notwendigen. Die Entwicklung der letzten Jahre und Jahrzehnte hat ihm darin – und in so vielem anderen mehr – recht gegeben. Als Visionär, als Vordenker, als konsequenter und kohärenter Kämpfer für Umwelt, Klima und Landschaft, wird uns Florin Florineth fehlen. Und wenn ich „uns“ sage, meine ich auch hier wieder nicht nur den Dachverband, ich meine uns alle. Alle Südtirolerinnen und Südtiroler. Und sehr viele andere mit ihnen.

Josef Oberhofer
Präsident des Dachverbandes für Natur- und Umweltschutz