Das Waldstück in der Industriezone Brixen ist ohne Zweifel ein wertvoller Lebensraum und Rückzugsort für viele Pflanzen- und Tierarten in der sonst verbauten Industriezone Brixen. Auch wenn es noch offiziell als Auwald eingetragen ist, handelt es sich allerdings fachlich gesehen nicht mehr um das Ökosystem Auwald als solches, welches sich durch regelmäßige Überschwemmungen und einen hohen Grundwasserspiegel entlang eines Flusses auszeichnet, sondern leider um einen trockengefallenen Rest dieses ursprünglichen Auwaldes. Durch die sukzessive Verbauung des Areals der Industriezone Brixen wurde dieser ursprüngliche Lebensraum sehr stark verkleinert und isoliert. Der Straßenbau vor einigen Jahren hat die Verbindung zum nahegelegenen Eisack, von dem der Wald ursprünglich regelmäßig überflutet wurde, endgültig gekappt. Dadurch, dass sich der Eisack in den letzten Jahrzehnten immer weiter in sein Flussbett eingegraben hat, ist auch der Grundwasserspiegel beträchtlich gesunken und wird auch in Zukunft noch sinken. Der Umstand, dass sich der Lebensraum verändert hat, macht ihn allerdings nicht weniger schützenswert.
Ein wesentliches Ziel der Umweltgruppe Eisacktal ist es vorhandene, noch intakte Lebensräume zu schützen und zu erhalten. In diesem Zusammenhang sind ihr die wenigen Auwaldreste im Süden von Brixen ein besonderes Anliegen. Seit Jahren setzt sie sich für den Erhalt derselben und für Verbindungen zwischen den einzelnen Auwaldinseln ein, um ein Fortbestehen dieser wertvollen Lebensräume auch für die Zukunft zu garantieren.
Nachdem die Umweltgruppe Eisacktal im Juni 2018 in Form einer Pressemitteilung auf den ökologischen Wert des Auwaldrestes in der Brixner Industriezone hingewiesen hat, wurde das Gespräch mit Verantwortlichen des Stadt-Land-Flussprojektes, der Gemeinde Brixen, der Firma Progress und anderen Umweltvertretern gesucht. Es hat sich eine Kerngruppe gebildet, die sich aus Vorstandsmitgliedern der Umweltgruppe Eisacktal (Verhandlungsführer Martin Prader), Vertretern der Arbeitsgemeinschaft für Vogelkunde und Vogelschutz Südtirol (AVK), Naturfotografen und Biologen des Raums Brixen zusammensetzt. Die Gespräche erfolgten zudem mit fachlicher Unterstützung des Dachverbandes für Natur und Umweltschutz Südtirol. Im Laufe von insgesamt acht sehr konstruktiven Treffen, die es mit der Firma Progress in einem Zeitraum von beinahe 1,5 Jahren gegeben hat, wurde ein Lokalaugenschein gemacht und sehr ausführlich über potentielle Flächen, die für eine Renaturierung geeignet wären, diskutiert. In diesen Gesprächen wurden mehrere Möglichkeiten abgewogen, u.a. auch der Ankauf von sinnvollen Ausgleichsflächen von Seiten der Firma Progress entlang des Eisacks, welche eine Erweiterung der dort liegenden, zwar intakten, aber sehr stark eingegrenzten, Auwaldgebiete ermöglichen würde.
Der Auwaldrest in der Industriezone ist bereits seit geraumer Zeit im Besitz der Firma Progress. Derzeit ist eine Bebauung und Erschließung des Gebietes allerdings nicht möglich. Im Zuge der oben erwähnten Gespräche ist es der Firma Progress nun gelungen mehrere Parzellen, welche südlich direkt an das Biotop „Millander Au“ angrenzen anzukaufen, bzw. über Tausch zu erlangen. Es handelt sich hierbei um eine Gesamtfläche von 17.500 Quadratmetern hauptsächlich Apfelanlagen. Werden diese Flächen in die Millander Au integriert, so entspricht dies einer Verdoppelung des Feuchtlebensraums im Biotop. Eine weitere Fläche für eine zukünftige Renaturierung wurde von Seiten der Firma Progress zugesichert. Als Ergebnis der Gespräche mit der Progress kann daher mitgeteilt werden, dass das Endziel vollinhaltlich erreicht wird, und zwar dass durch das Projekt in Summe keine Waldflächen verloren, sondern neue, qualitativ hochwertigere Biotopflächen dazu gewonnen werden. Der ökologische Wert der neuen Flächen, in denen eine Renaturierung möglich ist und auch umgesetzt wird, ist im Vergleich zum bestehenden Wald in der Industriezone langfristig gesehen erheblich höher.
Es wird nun gleichzeitig ein Antrag für die Ausweisung dieser Flächen als Biotop sowie eine Umwidmung des Auwaldrestes in der Industriezone beantragt. Im Zuge der Gespräche wurde beschlossen mit den Arbeiten erst nach Ende der Brutsaison aller im Auwaldrest brütenden Vögel zu beginnen. Außerdem soll unter anderem Totholz aus dem Auwaldrest in die neuen Biotopflächen transportiert werden, um die Insektenwelt, die dieses beheimatet, zu erhalten. Die Gemeinde Brixen wird sich gemeinsam mit dem Land im Kraftwerksbeirat dafür einsetzen, dass ein Anteil der Umweltgelder des Landes vom Kraftwerk Hachl für entsprechende Renaturierungsarbeiten im Biotop Millander Au zur Verfügung gestellt werden. Diese Arbeiten sollen in enger Zusammenarbeit mit einzelnen Mitgliedern der Kerngruppe erfolgen.
Der Umweltgruppe Eisacktal ist es ein Anliegen mit Wirtschaftstreibenden vor Ort, der Gemeinde Brixen und anderen beteiligten Akteuren, welche teils andere, teils ähnliche Interessen vertreten, in einen Dialog zu treten und gemeinsame Lösungen zu finden, die auf einer fachlich richtigen und sachlichen Argumentation basieren. Ein umfassender Schutz der natürlichen Lebensräume in der Talsohle Brixen kann langfristig gesehen, nur durch die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Interessensverbände, erzielt werden.
Die beteiligten Umweltvertreter haben mit der Firma Progress einen seriösen Partner gefunden und eine in Südtirol in dieser Form noch nie dagewesene Zusammenarbeit von Wirtschaft und Umweltschutz gestartet. Es ist zu hoffen, dass derartige Projekte in Südtirol Schule machen, denn Umweltschutz sollte alle Sparten gleichermaßen betreffen.
Ein langfristiges Ziel der Umweltgruppe Eisacktal wird es sein, sich dafür einzusetzen, dass auch andere Umweltgelder (BBT, Wasserkraft usw.), die der Gemeinde Brixen zur Verfügung stehen, sinnvoll für eine zusätzliche Erweiterung von Feuchtlebensräumen in der Talsohle Brixen eingesetzt werden.
Die Aufwertung, Vernetzung und Vergrößerung der intakten Auwaldflächen im Talkessel südlich von Brixen ist und bleibt eine Herzensangelegenheit des Vereines.